Best of... September 2003


Meine Testkolumne über den WWE- August war anscheinend gut genug, damit ich Euch hier noch einmal mit einem Monatsrückblick erfreuen darf. Der September lag im Zeichen von RAW, da der PPV „Unforgiven“ ausschließlich vom RAW-Roster bestritten wurde. Aber Smackdown ließ sich auch nicht lumpen und überraschte uns mit einigen Leckerbissen. Wie in meiner letzten Kolumne auch werde ich hier hauptsächlich auf das „E“ in WWE eingehen, also auf Storylines, Gimmicks und Ähnlichem, weniger auf die Qualität der Matches – auch wenn sich das manchmal nicht vermeiden lässt. Genug gequasselt, hier kommt der September 2003, wie ich ihn gesehen habe:

Beste Storylines und Fehden
1. Angle / Lesnar / Undertaker
2. Kane / Shane
3. Christian / Jericho

Nach nunmehr fast 2 Jahren gab es endlich wieder einen überraschenden WWE-Champion-Titelwechsel während einer regulären Free-TV-Show. Dieser Titelwechsel war nur ein Teil einer grandios aufgebauten Storyline, die im Moment immer noch voll im Gang ist. Nach dem Comeback von Kurt Angle war es nur eine Frage der Zeit, wann entweder er oder Brock Lesnar Heel turnen würden. Es war dann schließlich Lesnar und kurz darauf kam das langersehnte WM-Rematch. Angle siegte und war Champion. Es gab aber folgendes Problem: Es gab kaum glaubhafte Heel-Gegner für den neuen Champion, die einen PPV headlinen könnten. Big Show konnte und wollte schon lange keiner mehr im Main Event sehen und Lesnar war mit „You tapped out!“-Rufen gebranntmarkt. Ferner wollte man den Undertaker möglichst schnell wieder in die Uppercard aufsteigen lassen. Eine verzwickte Situation, aus der man sich aber sehr genial herausschrieb. Als erstes musste man irgendwie den Undertaker wieder ins Spiel bekommen. Dies tat man durch einen Sieg in einem No.1-Contender Match. Nun musste man einen vernünftigen Matchverlauf für das folgende Titlematch kreieren, in dem ja zwei Babyfaces aufeinander trafen. Darüber hinaus musste das Image von Brock Lesnar wiederhergestellt werden. Lesnar griff also ins Match ein, fertigte beide ab und bekam seinerseits einen Titleshot. Das war der nächste geniale Schachzug. Denn dieses Match war das erste Free-TV-Iron-Man-Match. Lesnar war wieder zum Monster geworden – und noch viel wichtiger: Zum Champion. Damit brachte man eine überraschende Wendung in die Storyline und löste gleichzeitig das Problem, dass es kaum PPV-Heel-Gegner für einen Face-Champion gab. Denn nun gab es keinen Face-Champion mehr. Außerdem steht der Taker wieder am Kopf der Card, einzig Leittragender ist allerdings Kurt Angle, der auf einmal komplett aus dem Titelrennen verschwunden ist. Auf die Arbeit zusammen mit John Cena können wir uns aber mit Sicherheit freuen – einer der Lichtblicke des SmackDown-Monats September.

RAW hat sein Tempo nicht ganz halten können, aber auch mit sehr schönen Storylines verwöhnt. Angeführt werden diese mal wieder von der Geschichte um Kane. Das Hauptaugenmerk lag diesen Monat auf einer Fehde mit Shane McMahon. Das Comeback von RVD, das Käfigmatch, der brennende Müllcontainer und die Elektroattacke haben Hitze in diese Auseinandersetzung gebracht. Das sind aber alles Komponenten, die unabhängig von den Athleten sind. Herausragend wurde diese Fehde jedoch erst durch das perfekte Spiel der Hauptdarsteller Kane und Shane. Kane, der mittlerweile das Monster ist, zu dem man ihn machen wollte. Shane, der tapfere Rächer, dessen Mut ihm in die Augen gebrannt ist. Normaler Weise halte ich wenig von 1-monatigen Storylines. Ich halte ebenso wenig von Storylines mit McMahon-Betiligung. Diese Storyline verfügt über beide Faktoren und war trotzdem Klasse - genau das ist der Punkt warum sie so verdammt groß ist! Tut uns den Gefallen und behaltet den Status dieser beiden Neu-Ikonen bei, mit ihnen könnt ihr weiterhin noch Großes anfangen.

Ich hatte sehr große Angst um Christian, als er sich von Edge trennte. Dass Edge seinen Weg gehen würde, hat nie jemand bezweifelt. Zukunft für Christian sahen die meisten – inklusive ich – nur im Tag Team Bereich. In der Anfangsphase setzte man dieses auch gut um, ließ ihn nach der obligatorischen Fehde gegen Edge in einem Anti-American-Stable wrestlen. Später teamte er sogar mit Chris Jericho, die beiden waren wirklich gut zusammen. Dass sich Christian aber zu einem solchen Genie als Alleinunterhalter entwickeln würde, hätte ich nie erwartet. Die Segmente, in denen er in alle möglichen Monologe platze und als „Inter-conti-nental Champion“ mehr Beachtung wollte, habe ich Stück für Stück genossen. Als Austin ihn dann in ein Match mit Chris Jericho steckte, roch es für mich schon nach etwas Herausragendem. Die beiden bekamen sich in die Wolle, es ging um einen Titel, aber beide blieben Heel. Das Publikum kochte, obwohl sie keinen der Kontrahenten mochte. RVD mit in die Fehde zu stecken, eine Woche vorm PPV, fand ich überflüssig. Besonders auf dem Hintergrund, dass das Match die Erwartungen nicht erfüllen konnte. Mit einem genialen One-On-One-Abschluss zwischen Jericho und Christian wäre diese Storyline noch weiter oben zu finden. Aber, liebe Schreiber von RAW, dafür ist es noch nicht zu spät.

Schlechteste Storylines und Fehden
1. Vince / Stephanie
2. Kommentatoren-Angle
3. Frauen-Tag-Team-Fehde

Als ich die erste Card für No Mercy gelesen hatte, musste ich sofort in meinem Kalender nachschauen, ob nicht zufällig erster April war. In mein Auge brannte sich der Abschnitt, der besagte: I Quit Match zwischen Vince McMahon und Stephanie McMahon. Wie soll ich diese Tatsache objektiv kommentieren? Der Besitzer des Unternehmens, der jenseits der 60 ist und den nun wirklich gar keiner mehr sehen kann – auf der anderen Seite, die Tochter, überdimensionale Brüste, eine Stimme wie ein Fingernagel, der sich über eine Tafel bewegt und die, was man nicht vergessen darf, nun wirklich gar keiner mehr sehen kann. Nicht nur, dass man eine Storyline um die beiden kreiert, nein, man steckt sie in ein Match gegeneinander. Ein I-Quit-Match. Bei einem PPV. Gute Nacht.

Tommy Dreamer, Hurricane, Goldust, Lance Storm, Steven Richards. Nur ein paar Namen von talentierten Wrestlern im RAW-Roster, denen keine, aber auch wirklich keine Beachtung geschenkt wird, wenn es darum geht, eine Card für einen PPV zu erstellen. Was macht man stattdessen? Man entwickelt einen Angle um 4 Kommentatoren, von denen nur einer wrestlen kann. Gut, ein weiterer konnte es irgendwann einmal, aber, Leute, wir sind im Jahr 2003. Andy Kaufman ist tot! Seit Jahren! Jerry Lawler und Jim Ross sind erstklassige Kommentatoren, aber in den Ring gehören beide nicht (bzw. nicht mehr). Al Snow ist ein talentierter Mann, Coach hingegen kann nun wirklich fast gar nichts. Warum, um alles in der Welt, stellt man ein solches Match an den Kopf einer PPV-Card?

Hey Leute. Ich hab tolle Nachrichten: Lita is back! Okay, nach zehn Sekunden der Euphorie hatte ich persönlich diese Nachricht schon wieder vergessen. Erst beim PPV wurde ich wieder schmerzlich daran erinnert. 4 Frauen in einem Match bei einem PPV. Ich bitte euch. Wenn ich auf so was stehe, dann gibt es hunderte andere Möglichkeiten, wie ich Brüste baumeln sehen kann. Ich persönlich kann das zwischen 4 Pfosten und drei Seilen aber nicht mehr sehen. Hört auf damit. Sofort.

Smackdown hatte diesen Monat somit eine geniale, eine Menge durchschnittliche und eine grauenhafte Storyline. RAW hingegen überzeugt weiterhin durch kontinuierlich gute Geschichten, verliert aber Punkte, indem sie Frauen, Cowboys und Könige in den Ring stellen. Ich vergebe in dieser Kategorie keinen eindeutigen Showpunkt, somit steht es weiterhin 0:0.

Beste Gimmicks
1. Christian
2. Randy Orton
3. Kane

Wie oben schon erwähnt, finde ich das “Inter-conti-nental Champion”-Gimmick von Christian einfach genial. Man kann über ihn lachen, man ist ein wenig genervt von ihm, aber trotzdem zeigt er noch eine super Leistung im Ring. Mit diesem Christian haben die Booker für die Zukunft alle Möglichkeiten offen.

Lange schon ist bekannt, das Triple H eine Auszeit einlegen muss. Ein Ersatz in den Augen der Booker war schnell gefunden: Randy Orton. Das Problem ist, dass nicht die Booker ihn zum Ersatz machen, sondern das Publikum. Das Publikum muss ihn annehmen. Seine Teilnahem an der Elimination Chamber und sein „Legend-Killer“-Image, abgerundet mit einem Sieg über den Heartbreak Kid bei einem PPV, machen Randy Orton zu dem, was er in kürzester Zeit werden musste – zu einem Top-Heel von RAW. Für ihn gilt gleiches wie für Christian: Der Kerl hat alle Tore offen.

Kane wird immer böser und immer definierter. Mittler Weile spielt er seine Rolle immer besser und glaubhafter. Ich kann nur noch einmal betonen, was ich auch in der letzten Kolumne schon erwähnte: Macht ihn nicht kaputt, dieses Gimmick ist jetzt vielleicht gut, aber es hat eine verdammt kurze Halbwertzeit.

Schlechteste Gimmicks
1. „You tapped out!“
2. Mortis und dann wieder doch nicht
3. Zach Gowen

Zu Beginn seiner Karriere war Brock Lesnar ein Monster. Nach seinem ungewollten Face-Turn schadete man seinem Image sehr, indem man ihn für Big Show jobben ließ. Es brauchte lange Zeit, dieses Image wiederherzustellen und was tut man dann: Man macht denselben Fehler noch einmal. Das Abklopfen beim Summerslam hätte Lesnar zerstören können. Das Publikum soll Angst vor ihm haben, stattdessen verhöhnten sie ihn. Gott sei Dank bekam man zum Ende hin wieder die Kurve und sein erneuter Titelgewinn könnte diesen Ausrutscher vielleicht schnell vergessen lassen. Wollen wir’s hoffen.

Mit Kanyon ging seit seinem Comeback eigentlich gar nichts mehr. Die anfänglichen „Who betta than Kanyon“-Ansprachen hatten noch einen gewissen humoristischen Anspruch, danach war er aber nur noch langweilig. Nun überlegte man sich, wie man ihn weiterhin einsetzen könnte und stieß auf sein altes Mortis-Gimmick. Etwas Derartiges gab es in der WWE seit längerer Zeit nicht und somit war Mortis wieder aus dem Reich der Toten auferstanden. Das Publikum nahm das Gimmick sofort an, die Kritiker waren damit zufrieden und auch Kanyon schien das wrestlen unter der grünen Maske Spaß zu machen. Was war nun die Konsequenz nach Smackdown-Logik? Genau, man blies alles ab und tat so, als wäre Kanyon nie Mortis gewesen. Wow, genial!

Was könnte man nicht alles Schönes mit Zach Gowen machen!? Eine Attraktion, wie es sie in einem Wrestlingring in den letzten Jahren kaum einmal gab. Er trat sofort in den Mittelpunkt neben den großartigen Hulk Hogan. Dann eine Fehde mit Vince McMahon und dann, ja was war dann eigentlich? Man machte ihn zum Kanonenfutter. Immer wenn mal ein Heel ein wenig an Heat verloren hatte, kam Gowen aus der Versenkung und der Heel stellte etwas ganz ganz Böses mit ihm an. Mann, Smackdown-Booker, hört auf vor der Arbeit diesen Scheiß zu rauchen!

Gimmick-Innovationen gab es diesen Monat ausschließlich bei RAW, SmackDown hingegen zerstört mittlerweile ein Talent nach dem anderen mit gnadenlos bescheuerten Storylines. Einen eindeutigeren Showpunkt in der Kategorie „Gimmick“ werde ich in nächster Zeit hoffentlich nicht wieder vergeben müssen. Punkt für RAW.

Wrestler des Monats
1. Kurt Angle
2. Christian
3. Eddie Guerrero

Einmal mehr bewies uns der olympische Held, dass er die Nummer 1 im Business ist. Ein perfekt gesprungener Moonsault, ein Missile Dropkick wie aus dem Bilderbuch und die wohl makellosesten German Suplexes, die ich bisher gesehen habe. Darüber hinaus 60 Minuten volle Power im Iron Man Match. Er zeigte nicht nur sportlich alles, was einen perfekten Wrestler auszeichnet – man nahm ihm seine Show im Ring voll und ganz ab! Der Kampf in den letzten 5 Minuten, in denen unbedingt der Ausgleich her musste. Genial. Dieser Mann ist kurz davor, Shawn Michaels als besten Wrestler aller Zeiten abzulösen.

Wie ich jetzt schon mehrfach in dieser Kolumne erwähnt hab, bin ich diesen Monat absolut von Christian angetan gewesen. Die zahlreichen „ich will mehr Beachtung“-Reden waren eine unterhaltsamer als die andere und seine Matches waren durch die Bank weg erste Sahne (bis auf das Match gegen den King, was aber nicht unbedingt Christians Schuld war). Der Kerl wird einmal was ganz Großes, wenn die Booker ihn lassen.

Letzten Monat schrieb ich an dieser Stelle „Eddie Guerrero ist ein Phänomen.“. Diesen Monat muss ich sagen: Ich hab Recht. Eine schöne Storyline mit John Cena, ein interessanter Brawl im Parkhaus, das Comeback von Chavo und der Tag Team Titelgewinn. Eddie rockt und das hoffentlich noch weiter und weiter und weiter...

Wie soll ich das Roster im Vergleich bewerten? Obwohl Eddie und Angle zwei herausragende Männer sind und Smackdown über noch einige mehr dieser Sorte verfügt, geht der Roster-Punkt auch diesem Monat wieder an RAW. Die RAW Jungs, angeführt von Christian, Jericho, den Dudleys, HBK, Orton und nicht zuletzt Goldberg, den man endlich over bekommen hat, sind und bleiben das stärkere Roster.

Matches und PPV-Tops
1. Iron Man Match
2. Last Man Standing
3. Table Handicap Match

Da es in diesem Monat keinen Mixed-PPV gab, kann ich nicht nur den PPV beleuchten. Das ist auch gut so, denn das Match des Monats fand nicht bei einem PPV statt, sondern beim Smackdown vom 18.09.2003. Das Match war genial und ich stelle mir die Frage, ob man nicht bis No Mercy damit hätte warten können. Einen besseren Aufhänger für einen PPV hätte es doch kaum geben können.

Das beste Match des September-PPVs war in meinen Augen das Last Man Standing Match zwischen Shane McMahon und Kane. Ich betone nochmals, dass ich hier nach dem Unterhaltungswert gehe. Unterhalten hat mich dieses Match mehr als jedes andere an diesem Abend, den missglückten Elbow von Shane werden wir in vielen Jahren noch in Rückblenden sehen.

Am meisten überrascht war ich vom PPV-Opener. Viel Action, tolle Publikumsreaktionen (wie bei kaum einem anderen Match bei Unfogiven) und ein schönes Ende. Möge die siebzehnte Regentschaft der Dudleys lang und hölzern währen.

Der Punkt für die Matches geht an Smackdown. Das Iron Man Match hat mich überwältigt und es macht Hoffnung darauf, in Zukunft mehr solcher Hammer in den wöchentlichen Shows zu sehen.

Das Überflüssigste zum Schluss
1. Sable
2. No Mercy
3. Spannung im Unforgiven Main Event

Das Überflüssige soll möglichst kurz gehalten werden, da es halt überflüssig ist. Sable fand ich damals blöd, ich finde sie heute blöd und ich werde sie auch aller Wahrscheinlichkeit nach in Zukunft blöd finden. Sie in einen Angle mit A-Train zu stecken ist genial, so verschwendet ihr nicht zwei Mal wertvolle TV-Zeit.

Was ich bisher in der No Mercy-Card vorfinde erzeugt einen Brechreiz in meinem Hals. Was soll Eddie Guerrero mit Big Show, was soll Chris Benoit mit A-Train und was suchen Stephanie und Vince überhaupt auf der Card, geschweige denn in einem Match gegeneinander? Ihr habt noch Zeit das zu ändern Leute, nutz sie!

Wow, war der Main Event von Unforgiven spannend. Wer hätte gedacht, dass Goldberg Triple H tatsächlich besiegt!? Mehr hab ich dazu nicht zu sagen.

Unterm Strich

Wir haben einen guten Monat hinter uns, der allerdings den Standard vom August nicht halten konnte. Mit einer Menge Zweifel blicke ich in den Oktober, denn No Mercy überzeugt mich bisher noch nicht und die Storylines laufen nun mal auf einen PPV hinaus. Ich bin gespannt, wie man Goldbergs nächste Gegner aufbaut, wie sich die Fehde zwischen dem Deadman und Brock Lesnar entwickelt und was sich im Oktober noch so tut.

Nach Showpunkten geht der September 2 : 1 an RAW.

Die Kritik an meiner letzten Kolumne war, dass sie zu lang geworden ist, diese hier ist jetzt noch länger. Ich hoffe, sie hat Euch trotzdem unterhalten. Wenn ihr bis zu diesen Sätzen vorgedrungen seid, scheint es so gewesen zu sein. Gebt mir wieder ordentlich Feedback und seid auch diesen Monat wieder nicht zu streng mit mir ;-)

Ich wünsche allen einen spannenden Oktober,
bis denn,

Ben